Das Heft enthält Texte von:

STEFAN SCHÜTZ

AXEL SCHNELL

WERNER SCHULZE-REIMPELL

FRANK-M. RADDATZ

HEINZ-PETER PREUSSER

GEERT LERNOUT

ANTON PHILIPP KNITTEL

ROLF JUCKER

 
 
 
 
 

Friedrich Christian Delius

Laudatio

auf Stefan Schütz

...Nein, Schütz wird nicht gehen müssen. Er wird nicht so schnell in Mode kommen-jedenfalls nicht mit diesem sperrigen, unverdaulichen und nicht-konsumierbaren Roman. Wir werden uns also weiterhin mit diesem Autor herumzuschlagen haben. Doch wer sich auf diese Auseinandersetzung einlässt, dem kann ich schon jetzt die produktivsten Turbulenzen versprechen.
 
 
 
 

Heiner Müller

Über den Dramatiker Stefan Schütz
 

Das erste, was ich von ihm las, war eine dramatische Satire, der Anlass eher privat, eine Kränkung, die er zu tief empfunden hatte, um keine Satire zu schreiben, das Resultat ein literarischer Bombenanschlag auf ein Theater. Das vom bürgerlichen Standpunkt Unangemessene der Reaktion weist ihn als Dramatiker aus. Kleist ist der deutsche Modellfall.

Inzwischen hat Stefan Schütz ein Halbdutzend Stücke geschrieben. Seine Begabung trägt ihn gelegentlich über das Theater hier und heute Mögliche hinaus. Das heisst: Seine Stücke sollten gespielt werden, weil sie den Bereich des Möglichen erweitern. Der erste Grund, warum eine Gesellschaft, die den Sozialismus aufbaut, sich den Luxus von Dramatik leistete, ist die Möglichkeit dieser Erweiterung. Theater , als eine Utopie, bleibt lebendig nur solange wie es sich ständig neu aufhebt. Repertoiretheater ist ein Widerspruch in sich. Mit dem wir noch leben müssen.

Was an Texten von Schütz zuerst auffällt, ist das im besten Sinn Theatralische seiner Fantasie: er ist zu sehr Schauspieler und zu stark vom Leben in der DDR geprägt um für die Schublade zu schreiben. Jedes neue Stück ist ein neuer gieriger Griff nach dem lebendigen Theater. Die Qualität der manchmal betäubend schönen Sprache liegt darin, das er nicht geprägte Bilder ausmalt, sondern Bewegungskurven zeichnet, die der Wirklichkeit seiner Figuren und Vorgänge neue Aspekte aufzwingen. Die Grundform der Bewegung ist die Spirale, nicht der Kreis. Das hat mit Geschichte zu tun mit einer kreativen Haltung zur Geschichte. Wenn er aneckt, liegt es daran das er hoch hinaus will. Eine Gesellschaft, die auf Produktion orientiert ist statt auf den Verschleiß von Produktivität, hat es mit Dramatik, die komisch oder tragisch aus der Zuspitzung von Widersprüchen lebt, nicht leicht. In der besonderen Art, wie Stefan Schütz mit Widersprüchen unserer Epoche umgeht, die er schmerzhaft tief empfindet, wird zunehmend ein Bedürfnis nach dem Ausgleich deutlich, nach einem Weltzustand, der Drama nicht mehr braucht ausser als freies Spiel von Kräften. Hans Henny Jahnn hat einem seiner späten Stücke den Satz vorangestellt ALLMÄHLICH IST DIE LIEBE UNSER EIGENTUM GEWORDEN. Der Akzent liegt, hier und heute, auf allmählich, nicht auf Eigentum.
   
(Rotbuch 142 Theater-Arbeit, 1976)